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In Freiflächen wie hier im Dürrwald in der Gemeinde Silenen werden im Kanton Uri klimafitte Zukunftsbäume eingebracht.Foto: Tobias Loretz

Zeitschriften | Verband & PolitikLesezeit 2 min.

Waldflächen in Uri werden mit klimafitten Baumarten bepflanzt

Im Kanton Uri werden in den kommenden Jahren 15 000 junge Bäume gepflanzt. Damit soll der Wald einerseits klimafit gemacht werden. Andererseits hat das Projekt zum Ziel, die wichtige Schutzfunktion der Wälder im Gebirgskanton zu stärken.

Ralph Möll | Stürme, Krankheiten und Käfer – das ist so etwas wie die unheilige Dreifaltigkeit, welche den Schweizer Wäldern stark zusetzt und Forstleute schlecht schlafen lässt. Natürlich gab es Stürme, Krankheiten und Käfer auch schon früher. Das Ausmass und die Intensität dieser Schadenereignisse hat aber in jüngster Zeit stark zugenommen. Grossen Anteil an dieser Entwicklung haben die vom Menschen verursachten Veränderungen des Klimas. Die Temperaturen steigen und die Trockenphasen werden länger, und zwar in einem Tempo, wie es noch nie dagewesen ist.

Der Wald reagiert auf diese sich verändernden Bedingungen. Bäume sind geschwächt oder sterben sogar ab, weil sie nicht gegen die Hitze und Trockenheit gewappnet sind. Die Widerstandskraft solcherart geschwächter Bäume verringert sich. Es besteht ausserdem die Gefahr, dass diese Veränderungen so schnell vonstatten gehen, dass der Wald sich diesen neuen Bedingungen nicht schnell genug anpassen kann. Die Folge ist ein Absterben der Bäume, sodass plötzliche ganze Waldbestände verschwinden und nur eine kahle Fläche übrig bleibt. Das hat auch Folgen für die Menschen.

Wichtiger Schutzwald, der in Bergregionen Siedlungen und Infrastruktur wie Strassen oder Bahngleise vor Steinschlag, Erdrutschen und Lawinen schützte, kann seine Funktion nicht mehr erfüllen, weil die Bäume fehlen. Hohe Temperaturen und Trockenheit beeinflussen respektive verlangsamen dabei auch die natürliche Verjüngung des Waldes. Gleichzeitig gerät die Verjüngung auch durch Wildverbiss immer stärker unter Druck.

Die Klimaveränderung bietet dem Wald, respektive gewissen Baumarten aber auch Chancen. Aufgrund der steigenden Temperaturen verschieben sich die Höhenstufen, und zwar in höhere Lagen. Die Wissenschaft geht aufgrund der vorhandenen Daten und der darauf prognostizierten Entwicklung denn auch davon aus, dass vielerorts, wo heute Nadelwälder stehen oder einst standen, künftig Laub- und Mischwälder wachsen werden. Die Vegetationsstufen dürften sich um 500 bis 700 m nach oben verlagern. In diesen Höhen werden jedoch von allein meist keine klimafitten Bäume wachsen. Dazu fehlen an diesen Standorten oft schlicht die Samenbäume.

15 000 Bäume an 28 Standorten

Die natürlicherweise fichtendominierten Wälder im Kanton Uri sind besonders stark von Risikofaktoren wie Stürmen, Krankheit und Borkenkäfern bedroht. Daher lancierten 2024 WaldUri, der kantonale Verband der Wald­eigentümerinnen und -eigentümer, sowie das Amt für Forst und Jagd (AFJ) des Kantons im Rahmen des Holzkreislaufs Uri [1] ein Baumpflanzungsprojekt im gros­sen Stil. An 28 Standorten in 9 Gemeinden zwischen Sisikon und Göschenen sollen bis 2028 rund 15 000 Bäume gepflanzt werden. Mit diesem Projekt sollen die Gesundheit und die Stabilität des Urner Waldes im Hinblick auf den Klimawandel gestärkt werden, und es werden klimafitte Baum­arten in Waldbestände eingebracht, in denen diese gewünschten Arten als Samenbäume fehlen. Ausserdem soll duch das Anpflanzen einheimischer, zukunftsfähiger Bäume auch die CO2-Senke­leistung des Urner Waldes unterstützt werden. Die Wahl der Standorte erfolgte aufgrund einer fachlichen Beurteilung durch das AFJ. Gleichzeitig befragten die Projektverantwortlichen auch die Urner Revierförster nach geeigneten Flächen.

«Da bin ich selbst sicher nicht ganz unschuldig», antwortet Roland Wüthrich, Vorsteher des AFJ, auf die Frage, wer die Idee zum Projekt hatte: «In den letzten fünfundzwanzig Jahren waren Pflanzungen im grossen Stil in Uri weniger ein Thema. Einerseits waren sie sehr teuer und aufwendig, andererseits wurde auf die natürliche Waldverjüngung gesetzt. Die Natur hat uns gezeigt, was dorthin gehört.»

Der Einfluss von Klima und Wild nimmt zu

Mit der Klimaveränderung und dem zunehmenden Wildeinfluss änderte sich die Situation aber grundlegend. Damit der Wald seine Schutzfunktion weiterhin erfüllen kann, erachten es die Verantwortlichen als sinnvoll, auf kritischen Freiflächen zukunftsfähige Bäume zu pflanzen. Der Wald würde sich zwar auch unter veränderten Klimabedingungen anpassen und wieder nachwachsen, aber nicht innert nützlicher Frist und mit den gewünschten Baumarten. «Wenn wir bei einer Freifläche zuerst Jahrzehnte warten müssen, bis langsam etwas wächst, und das dann auch noch vom Wild gefressen wird, ist das alles andere als optimal.» Deshalb müsse man jetzt etwas tun, um in 30 Jahren auf diesen Flächen wieder Wald zu haben.

Die Kosten für das Pflanzen der 15 000 Jungbäume werden mit 20 Franken pro Baum veranschlagt. Darin sind allfällige Schutzmassnahmen wie Einzelschutz oder Zäune um Gruppen von Bäumen inbegriffen. Und führt man sich vor Augen, dass diese Pflanzungen meist in steilem Gebiet abseits von Wegen erfolgen, scheint ein solcher Betrag angemessen. Dennoch steht  unter dem Strich eine Summe von rund 300 000 Franken. Diese können weder der Kanton Uri noch die Urner Waldeigentümerinnen und -eigentümer einfach so investieren. «Umso erfreulicherer ist es, dass die Dätwyler-Stiftung das Projekt grosszügig unterstützt», sagt Roland Wüthrich. Die gemeinnützige Förderstiftung ist in Altdorf domiziliert und unterstützt Projekte und Institutionen, die einen geografischen, thematischen oder personellen Bezug zum Kanton Uri haben.

Obwohl das AFJ das Projekt angeregt hat, ist das Baumpflanzungsprojekt Sache der Waldeigentümerinnen und -eigentümer. Der Kanton unterstützt das Projekt in fachlicher und kommunikativer Hinsicht jedoch noch nicht mit finanziellen Mitteln. Sind die Bäume einmal gepflanzt, sieht es anders aus. So stellt Roland Wüthrich in Aussicht, dass der Kanton Uri die Pflege dieser jungen Schutzwälder und die Instandhaltung von Schutzmassnahmen finanziell unterstützen werde: «Leistungserbringer bleiben immer die Forstbetriebe respektive die Waldeigentümerinnen und -eigentümer. Der Kanton richtet diesen aber Beiträge an deren Leistungen aus.»

Mit dem Pflanzen ist es nicht getan

Der Pflege und der Beobachtung nach dem Pflanzakt kommt grosse Bedeutung zu. Nur Bäume anzupflanzen, reicht nämlich nicht. «So hätte man während fünf Jahren ein Vorzeigeprojekt, und nach zehn Jahren wäre wohl das meiste überwachsen. Der Effekt wäre gleich null», sagt Roland Wüthrich. Ausschlaggebend seien auch die unterschiedlichen Voraussetzungen mit positiven und negativen Pflanzpunkten auf den ausgewählten Flächen. «Pflanzt man Bäume in einer Mulde, sind dort wohl mehr Nährstoffe vorhanden. Allerdings sammelt sich dort auch mehr Schnee, der die Pflanze zugrunde richten kann.» Grundsätzlich sind die Pflanzflächen bestimmt. Wo genau darin die Pflanzen gesetzt werden, entscheiden die Försterinnen und Förster, weil sie über die Lokalkenntnis verfügen.

Auch den Entscheid, ob Substrate oder Myzel zur Förderung des Wachstums beigegeben werden, überlasse man den Försterinnen und Förstern. «Entscheidend ist, dass standortgerechte und zukunftsfähige Bäume eingebracht werden. Muss man einen Boden erst künstlich ‹aufmotzen›, wird das über kurz oder lang schwierig.» Die Waldböden in Uri seien vielerorts felsig und mit Steinblöcken übersät. «Manchmal staune ich schon, auf welch kargem Untergrund Bäume wachsen.» Grundsätzlich wird aber stütztpunktmässig angepflanzt. Das heisst, dass die Bäume in der Regel als Gruppe gesetzt und dass nicht Flächen vollständig ausgepflanzt werden. Roland Wüthrich geht davon aus, dass von den 15 000 Pflanzen mindestens 1500 zu Bäumen werden. «Lässt man die Natur machen, werden aus 10 000 Pflanzen vielleicht 100 Bäume, also ein Faktor von bis zu hundertmal weniger.» Weil in diesem Projekt gezielt bepflanzt werde, rechnen die Verantwortlichen mit einem Faktor von 5 bis 10. Aufgrund der Anpflanzungen dürften also rund 1500 bis 3000 Bäume heranwachsen.

Die jungen Bäume (Linden, Bergahorne, Eichen, Weisstannen, Lärchen und Föhren) kommen aus Schweizer Baumschulen und sind zum Pflanzzeitpunkt etwa 60 cm bis 1 m gross. «Wir haben uns in der Zentralschweiz zusammengetan, um abzuklären, welche Baumarten künftig gebraucht werden.» Unterstützt werden die Kantone und Forstbetriebe dabei von der Eidgenössischen Forschungsstelle für Wald, Schnee und Landschaft (WSL). Das sei eine wichtige Arbeit, denn «vor 120 Jahren wurden bei uns oftmals Deutsche Fichten gepflanzt, und heute sehen wir, dass das nicht richtig gewesen ist. In Realp wurden sie mit grossem Aufwand am Leben erhalten. So wurden sie zwar alt, aber sie sind nicht wirklich für diesen Standort geeignet.»

Die heutige Situation basiert zu einem Teil auf dem Wissen und den Annahmen von vor über 100 Jahren. Es ist also gut möglich, dass auch die Forstfachleute der Zukunft ganz anders über die Urner Anpflanzaktion denken als die heutigen Verantwortlichen. «Man entscheidet immer aufgrund des aktuellen Wissensstands und ist bestrebt, das aus heutiger Sicht Beste zu tun. Aber im Wald liegt es in der Natur der Sache, dass wir mit den Investitionen unserer Vorgänger arbeiten. Und künftige Försterinnen und Förster werden wiederum mit unseren Investitionen weiterarbeiten.»

Die Pflanzungen erfolgen gestaffelt bis 2028. Rund 100 Forstfachleute kümmern sich um diese Arbeit. Im Mai 2024 startete das Projekt mit einigen Pflanzungen. 2025 und 2026 sollen weitere 9000 Bäume gepflanzt werden. Zwar werden mit dem Projekt nicht alle geeigneten Waldblössen bepflanzt, aber es können Baumarten verteilt auf Schutzwaldflächen im gesamten Kanton Uri eingebracht werden. «Solche Freiflächen zu bepflanzen, ist wie Schach spielen. Macht man auf jedem dritten Feld etwas, hat man das ganze Brett im Griff. Macht man aber nur in einer Ecke etwas, weil diese Felder wichtiger scheinen, steigt das Risiko, dass woanders etwas schiefgeht.»

Wald und Samenbäume auf diesen Flächen

Für Roland Wüthrich ist das Projekt dann erfolgreich, wenn «wir in 30, 40 Jahren auf diesen Schutzwaldflächen einen stabilen Waldbestand mit Samenbäumen verschiedener klimafitter Baumarten haben. Die Bäume, die in Zukunft nachkommen, sind also mindestens so wichtig wie jene, die wir heute pflanzen». 

Über diese und viele weitere Themen lesen Sie in der neuen Ausgabe von «WALD und HOLZ».

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